Offener Brief zu „Von Demonstranten und Demokraten“ (RP 28.02.2015)

13. März 2015

Sehr geehrte Frau Geilhausen, sehr geehrter Herr Lieb,
zu Ihrem Artikel „Von Demonstranten und Demokraten“ in der Samstagsausgabe der Rheinischen Post vom 28.02.2015 möchte ich Ihnen ganz offen und unter Einbeziehung einer breiteren Öffentlichkeit das Folgende schreiben:
Ihre Unterstellung, dass diejenigen Düsseldorferinnen und Düsseldorfer, die jeden Montagabend, den letzten Mittwochabend und darüber hinaus, viele, viele Abende an Vorbereitungszeit opfern, selbstherrlich seien, „an der eigenen Gewaltlust“ gehindert werden müssten und – so kann man es durchaus lesen – die Demokratie verachten -, ist eine glatte Unverschämtheit.
Ich bin doch sehr, erstaunt, dass Sie in ihrer Funktion als Redakteur so offenkundig uninformiert über und desinteressiert an allem sind, was sozial und kulturell im linken Spektrum der von Ihnen oft bemühten ‚Stadtgesellschaft‘ geschieht. Gerade die Düsseldorfer Antifa-Initiativen sind bekannt für qualitativ hochwertige politische und kulturelle Angebote, die Bewahrung des Andenkens an die Opfer des Nationalsozialismus und die Opfer rechter Gewalt  sowie für ehrenamtliche Antirassismus- und Flüchtlingsarbeit. Selbstverständlich wünschen sie und wir uns ein baldiges Ende der Dügida-Märsche, damit wir unsere ehrenamtliche Arbeit in gewohnter Weise weiterführen können!
Wir wünschen uns aber auch, dass jemand in dieser Stadt dafür einsteht, dass Neonazis und Rassisten nicht ihre menschenfeindlichen, antisemitischen und antiislamischen Parolen ungestört in die Gesichter der Betroffenen brüllen können. Noch weniger wünschen wir uns, dass unsere Gesellschaft rassistische und kulturalistische Argumente wieder in den Bereich des Sagbaren aufnimmt und den politischen Diskurs nach ganz Rechtsaußen und damit in den Bereich des Menschenunwürdigen öffnet. Damit dies nicht geschieht, möchten wir möglichst viele Düsseldorferinnen und Düsseldorfer aus allen Bereichen der Gesellschaft dafür gewinnen, ihre Ablehnung der Dügida sichtbar zu zeigen und Frau Dittmer und ihren Anhängern zu verdeutlichen, dass wir eine Herabsetzung und Bedrohung von Personen und Gruppen in dieser Stadt nicht dulden. Rassismus ist für uns keine Meinung, sondern ein Verbrechen.
Mit Ihrem Artikel auf Boulevard-Niveau haben Sie weder der Düsseldorfer Stadtgesellschaft, noch ihrem eigenen Blatt einen Gefallen erwiesen: Der Widerstand gegen Dügida in Düsseldorf  gewinnt immer mehr institutionelle Unterstützer, tief in die Mitte der Gesellschaft hinein – und Sie setzen zu diesem Zeitpunkt allen Ernstes in einer üblen Schmiererei von ein einem Artikel den Widerstand gegen Rassismus mit der Propaganda für Rassismus gleich? Das darf doch wohl nicht wahr sein!
Und was ist ihr einziges Argument? Eine von Neonazismusforschern wie Professor Fabian Virchow von der FH Düsseldorf klar zurückgewiesene Spekulation, der Widerstand gegen rassistische Aufmärsche würde rassistische Aufmärsche ermutigen. Kommen Sie doch bitte demnächst Ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht nach, bevor Sie in einer Zeitung mit hoher Auflage solch politisch fatale und wissenschaftlich unwahre Behauptungen aufstellen. Aus Ihren Worten sprechen eine Bequemlichkeit, eine Ignoranz und leider auch ein Nicht-Wahrhaben-Wollen, die Deutschland bereits einmal im 20. Jahrhundert in die Diktatur der rechten Menschenschlächter geführt haben. Ihr Artikel hat sich die Abscheu weiter Teiler dieser Düsseldorfer Stadtgesellschaft sicher redlich verdient; in jedem Fall die meine.
Wie im November letzten Jahres angekündigt, melde ich eventuelle Verstöße gegen die journalistische Sorgfaltspflicht, und damit auch diesen Ihrer Artikel, in CC an den Presserat.
Gruß
Christian Jäger
Kreissprecher der LINKEN. Düsseldorf