Statement zu den umstrittenen Äußerungen von Sahra Wagenknecht. Von Ulla Jelpke

27. Juli 2016

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Die aktuelle Debatte um Sicherheit und Schutz vor Anschlägen und
Attentaten darf nicht mit der flüchtlingspolitischen Debatte vermischt
werden. Und erst recht dürfen Gewaltereignisse nicht dazu
instrumentalisiert werden, eine Abschottungs- oder Abschiebepolitik
gegen Flüchtlinge weiter voranzutreiben. Deutschland wird nicht
sicherer, wenn weiter Angst und Misstrauen geschürt wird.Sahras Presseerklärung ist nicht „missverstanden“ worden, sondern sie
ist Ausdruck eines komplett falschen Ansatzes, den unsere
Fraktionsvorsitzende verfolgt. Sie setzt damit die Linie fort, die sie
schon mit ihren Äußerungen über „Obergrenzen“ und die Bezeichnung des
Asylrechts als „Gastrecht“ eingeschlagen hat: Die Vielzahl von
Flüchtlingen schon per se als Problem, und jetzt auch ausdrücklich als
Sicherheitsproblem, zu bezeichnen. Ausgerechnet die gewalttägigen
Ereignisse der letzten Tage als Beispiel zu nehmen, um einen
Zusammenhang mit der Flüchtlingszuwanderung herzustellen, ist politisch
extrem kontraproduktiv und entspricht haargenau den Forderungen von
konservativen bis rechtsextremen Asylfeinden.

Nahezu wortgleich wie Sahra, die als Voraussetzung für Sicherheit im
Land nannte, „dass wir wissen, wer sich im Land befindet“, äußerte sich
CSU-Ministerpräsident Seehofer: „Wir müssen wissen, wer im Land ist.“
Und wenn sie Merkels angeblich „leichtfertige“ Wir-schaffen-das-Äußerung
in einem Satz mit den Gewalttaten bringt, liest sich das nicht viel
anders als das Statement von Pegida-Sprecher Lutz Bachmann auf Twitter:
„Der Terror ist endgültig in Deutschland angekommen, dank Merkel und
ihren Mittätern.“

Kommunikationspolitisch war die Presseerklärung unserer
Fraktionsvorsitzenden ein Desaster, auch gegenüber den eigenen Leuten in
der Partei, die in der Erklärung zu Recht eine brandgefährliche
Vermischung zweier wichtiger Themen sehen, die unabhängig voneinander
behandelt werden müssen.

Denn es gibt überhaupt keinen Grund, die jüngsten Gewalttaten mit der
Fluchtmigration in Verbindung zu bringen. Abgesehen davon, dass die
Motive bei den jeweiligen Tätern völlig unterschiedlich sind, ist es
absolut unredlich, Flüchtlinge besser überwachen und den
Sicherheitsapparat verstärken zu wollen, weil von einer Million
Flüchtlinge zwei eine schwere Gewalttat verübt haben.

Was DIE LINKE jetzt mit Nachdruck machen muss: Das Asylrecht offensiv
verteidigen. Denn schon instrumentalisieren konservative
Law-and-Order-Politiker die Gewalttaten, um weitere Verschärfungen des
Asylgesetzes zu fordern. Auch die leidige Debatte um Bundeswehreinsätze
im Inland wird wieder aufgewärmt. Diesem Populismus muss sich DIE LINKE
geschlossen entgegenstellen. Der Kampf gegen den terroristischen IS wird
nicht dadurch entschieden, dass wir Flüchtlingen mit Misstrauen begegnen
und sie als Problem darstellen – wenn wir das tun, verlieren wir
vielmehr unser Profil als antirassistische Partei.

Die Fraktion hat im Januar 2016 einen klaren Beschluss gefasst, in der
wir uns unter anderem auch gegen eine Stigmatisierung von Flüchtlingen
ausgesprochen haben. Auf dieser Linie müssen wir weiter arbeiten. Das –
und nicht die Bedienung asylfeindlicher Klischees – erwarte ich auch von
unserer Fraktionsvorsitzenden.

Ulla Jelpke, MdB
Innenpolitische Sprecherin
Fraktion DIE LINKE.
im Deutschen Bundestag