Presseerklärung zum Verbot der kurdischen Symbole

14. März 2017

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Während die Vereinten Nationen am 10.03.2017 in einem Bericht den türkischen Staat wegen schwerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und die Zerstörung ganzer Städte im kurdischen Südosten der Türkei anprangerten, wurde hierzulande vom Bundesinnenministerium das Verbot und die Verfolgung der kurdischen Identität und Symbole ausgeweitet. Künftig soll neben vielen weiteren Symbolen kurdischer Parteien und Organisationen auch das Zeigen des Porträts von Abdullah Öcalan verboten sein.

Für uns kommt das Verbot der Symbole der kurdischen Befreiungsbewegung einem Verbot der kurdischen Identität gleich. Denn die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ist zu einer Zeit entstanden, als die kurdische Sprache, Kultur, Identität vom türkischen Staat verboten worden waren. Die Verleugnung wurde und wird bis heute mittels unterschiedlicher Formen von Gewalt aufrechterhalten. Das Entstehen der PKK als Reaktion auf solche Verhältnisse, sowie ihr völkerrechtlich legitimer Kampf – die PKK wird von den Vereinten Nationen nicht als terroristisch eingestuft oder aufgelistet – ist gegen die Verleugnung von einer der ältesten Sprache und Kulturen der Menschheitsgeschichte gerichtet. Millionen von Kurden verstehen den Widerstand der PKK als einen Akt der kurdischen Identitätsbildung. Die PKK und Abdullah Öcalan führen den Kampf der Kurden um Gleichberechtigung und Anerkennung ihrer kollektiven Rechte und Identität an. Insofern ist das Verbieten ihrer Symbole nicht nur eine Parteinahme gegen die Kurden in einem internationalen Konflikt, sondern auch ein Verbot der Symbole der kurdischen Identität. Schließlich schränkt das Verbot grundlegende Menschenrechte ein, wie das Versammlungs- und Demonstrationsrecht kurdischstämmiger Bürgerinnen und Bürgern. Wir verstehen die Nichtanerkennung, die Verfolgung und das Verbot des kurdischen Freiheitswillens als einen Eingriff in die Würde von hunderttausenden Kurden.

Mit dem Verbot des Porträts von Abdullah Öcalan geht in gewisser Weise auch ein Vorgehen gegen seine Ideen als Sozialphilosoph einher. Abdullah Öcalans radikaldemokratische und feministische Theorien und Konzepte der gesellschaftlichen Organisierung werden seit 2012 in Nordsyrien in die Praxis umgesetzt. Dort wird ausgehend von der Gleichberechtigung der Geschlechter, eine auf Gleichberechtigung der Ethnien, Sprachen und Religionen basierendes und ökologisch ausgerichtetes Gesellschaftsprojekt realisiert, welches mittlerweile zum militärischen und politischen Alliierten der USA, aber auch Russlands, im Kampf gegen islamistische und reaktionäre Kräfte avanciert ist. Gegen all diese Entwicklungen geht der türkische Staat um Recep Tayyip Erdogan und die AKP nicht nur in der Türkei, sondern auch in Nordsyrien und Nordirak entschieden vor, da sie im Gegensatz dazu ein monopolistisches, zentralistisches und faschistoid islamistisches neo-osmanisches Großreich anstrebt. Das historisch begründete deutsch-türkische Verhältnis ist gegenwärtig also darin gemündet, dass sich die BRD auf die Seite des Faschismus und gegen die demokratischen Kräfte stellt. Die Ausweitung des Verbots kann als eine innenpolitische Facette dessen verstanden werden.

Wir unterstreichen ausdrücklich, dass die Entscheidung des Bundesministerium des Inneren eine Entscheidung einer staatlichen Institution ist, welche sehr weit entfernt vom Willen und der Haltung der Mehrheit der deutschen Bevölkerung, zu der auch die ca. 800 Tausend Kurden zählen, getroffen worden ist.

Auch das Verbot der Symbole der syrisch-kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) und der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) durch den Bundesinnenminister Thomas de Maizière erzeugen ein hohes Maß an Verwirrung. Denn die YPG sind nicht nur der wesentliche Bestandteil der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) und damit mit der internationalen Anti-IS-Koalition verbündet, sondern sie beschützen seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs auch religiöse und ethnische Minderheiten, darunter auch christliche oder êzîdische, vor Genoziden und garantieren ihre politischen Rechte und basisdemokratische Teilhabe.

Insgesamt stellen wir fest, dass in Zeiten, wo die türkische Regierung um die AKP und Erdogan wegen Korruption, Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen auf internationaler Ebene kritisiert und an den Pranger gestellt wird, ein solches Entgegenkommen und Einknicken der BRD gegenüber der Türkei weder moralisch noch vernünftig-rational ist.

Wir als Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland (NAV-DEM) rufen das Bundesinnenministerium dazu auf, ihre absurde Entscheidung vom 02. März zurückzunehmen. Gleichzeitig fordern wir die Aufhebung des PKK-Verbots, die als Grundlage solcher unsinnigen Entscheidungen dient. In einer Zeit, in der sich die Türkei auf einem Scheideweg zwischen der Diktatur und einer demokratischen Türkei befindet, appellieren wir an die Bundesregierung, ihren Einfluss im Sinne der Demokratisierung der Türkei geltend zu machen.