Auch in 2016 demonstriert die Friedensbewegung wieder am 3. Oktober im niederrheinischen Kalkar gegen die dortige Bundeswehr- und NATO-Kommandozentrale
In diesem Jahr findet eine ganz besondere Aktion statt: Eine Doppel-Aktion mit Stationen in Kalkar und Essen. Nicht nur die Luftwaffen-Kommandozentralen, die u.a. die Kriegseinsätze der Bundesluftwaffe in Syrien und auf anderen Schauplätzen steuern, sind in Kalkar angesiedelt. Auch eine militärische Denkfabrik, das Joint Air Power Competence Center hat hier seinen Sitz. Und dieses JAPCC führt direkt nach dem 3. Oktober in Essen seine jährliche Tagung durch, um Kriegsszenarien in der heutigen Zeit durchzuplanen. Klar, dass wir das nicht ohne Protest hinnehmen.
Daher fahren wir nach der Demonstration mit Bussen und PKW nach Essen, um dort an einem großen Friedens- und Protestfest vor dem Hauptbahnhof teilzunehmen. Kommt alle am 3. Oktober nach Kalkar und anschließend nach Essen.
Bernhard Trautvetter vom Essener Friedensforum schreibt dazu ergänzend:
Unser Aufruf wird auch von bundesweit relevanten Kräften getragen. Das wird dem Charakter der Aktion gerecht. Sie richtet sich gegen eine der Drehscheiben des Geschehens, gegen das wir auf die Straßen gehen. Und sie richtet sich gegen eine Konferenz des militärisch-industriellen Komplexes, die in ihrer Bedeutung für diesen Kreis und damit für das Leben mindestens die Relevanz der SiKo hat, auch wenn diese wegen ihrer propagandistischen Wirkung für mehr ‚Verantwortung‘ in der Medien-Öffentlichkeit entsprechend höher gehängt wird. Link: http://demo-kalkar.de/
In Essen werden unter anderem Eugen Drewermann und Sevim Dagdelen auftreten, in Kalkar Andreas Zumach. Es ist doch offensichtlich, dass wir die Aktionen als sich gegenseitig unterstützende behandeln müssen! Das ist seit dem Beschluss in München für den 8.10. mein diesbezügliches Bestreben.
Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA, schrieb diesen Text zur Rolle von Kalkar/Uedem:
Der Krieg beginnt hier und hier muss er gestoppt werden!
Tag für Tag lesen wir Meldungen über Drohnen. Sie sollen Waren, ja sogar Pizza ins Haus bringen, sie dienen Kindern als Spielzeug. Also völlig ungefährlich?
Würde die Wirkung der Killerautomaten, dazu zählen die Kampfdrohnen, ebenso in den Medien thematisiert, wie die Spielzeugdrohnen, dann wäre die allgemeine Erkenntnis: Finger weg, viel zu gefährlich.
Woran denken die Menschen, wenn sie den Ortsnamen Kalkar hören?
An einen Ort am Niederrhein, und wenn sie mehr wissen, dann auch daran, dass dort ein riesiges Kernkraftwerk gebaut wurde, aber zum Glück nie ans Netz ging, weil die Menschen massenhaft Nein sagten. Heute droht wieder der AKW-Gau im Zusammenhang mit Kalkar! Von dort können die von Kalkar gesteuerten Waffen den Super-Gau in fernen Atomkraftwerken auslösen. Der Radius von Kalkar aus gesteuerter Kriegsgeräte von Nato und Bundeswehr liegt im gesamten Bereich nördlich der Alpen bis zum Ural und inzwischen auch schon weit südlich bis an den Golf und nach Nordafrika.
Welche Rolle spielt Kalkar im Zusammenhang mit der neuen NATO-Strategie?
Kalkar und der Nachbarort Uedem entwickeln sich hin zu einer der Schaltzentralen für ein konkret – in Strategiespielen einkalkuliertes – Kriegsgeschehen in Europa. Der Doppelstandort Kalkar/Uedem der Nato- und Bundeswehr-Luftwaffe wird von der Bundeswehrspitze als „großer Player der Streitkräfte Deutschlands und der Nato“ angesehen. Von dort wird der Luftkrieg geführt, soweit die Bundeswehr einbezogen ist.
Neue kriegerische Töne hören wir auch von der EU. Wirkt sich das auch auf Kalkar/Uedem aus?
Die Militärs und Nato-stützende Politiker schlussfolgern, es bedürfe einer einheitlichen Armee Europas gegenüber Russland. Zu dieser Armee würde z.B. auch die französische Atommacht zählen!
Was geschieht in Kalkar/Uedem heute, und was in Ramstein?
Schon heute ist Kalkar eng verzahnt mit dem US-Luftstützpunkt Ramstein/Rheinland-Pfalz, von wo die USA ihren Drohnenkrieg führen. Die NATO-, US- und Bundeswehrkommandeure für Ramstein und Kalkar sind identisch bzw. vertreten sich gegenseitig. Was Ramstein heute praktiziert, wird morgen auch Kalkar können: Den weltweiten Drohnenkrieg führen.
Was könnte am Niederrhein geschehen?
Ab 2019 soll es rangehen an diese neue Kriegsform mit Kampfdrohnen und automatischen Killerrobotern mit all ihren auch nuklearen Gefahren. In Kalkar und Uedem am Niederrhein wurden schon rund 800 neue Arbeitsplätze für die Drohnenpiloten und die Cyber-Krieger geschaffen. Dort wird der Luftraum auch bis zum Ural überwacht. Schon jetzt werden die Luftwaffenanteile an den Manövern an der russischen Grenze von Kalkar aus gesteuert.
Was hat es mit den Cyberwaffen auf sich?
Auch in Kalkar am Niederrhein werden die Cyberkriege durchgespielt und geplant. Sie sollen es ermöglichen, Kriege zu führen und zu gewinnen, ohne dass ein Soldat z.B. Russland betritt. Sie sollen beispielsweise die Computer, die Strom- und Wasserversorgung in Moskau lahmlegen; – auf dass Putin dann stürzt. Regimechange nennt man das. Ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung.
Was sagen die Politiker dazu?
Die Grün-SPD-Landesregierung hat im Rahmen der Bundeswehrreform darum gebettelt, keine Standorte zu schließen, und sie erreichte, dass Kalkar sogar ausgebaut wurde. Das ist eine verantwortungslose Politik. Denn Kalkar ist ein gefährlicher Ort.
Frau von der Leyen will Kampfdrohnen beschaffen und zugleich den Cyber-Krieg üben?
Da wird uns erklärt, „nach langer Debatte“ zum Kampfdrohnenthema sei diese nun beendet. Es hat sie nie wirklich gegeben! Die neue Rüstungsspirale ist ungeheuer teuer. So wird für Deutschland eine Steigerung um über ein Drittel der bisherigen Ausgaben von derzeit circa 35 Mrd. € vorgesehen. Des weiteren wird der Ausbau der „Cyber-Defence“-Gruppe geplant, in die Frau von der Leyen 13 000 Soldaten holen will. Die meisten in Kalkar.
Warum erfahren wir so wenig über Kalkar und Uedem?
Minister de Maiziere steht da wohl Pate: „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“ Das ist sein klassischer Spruch. Übrigens gilt das de Maiziere-Zitat wohl auch für die Vorsorgediskussion. Jedermann macht sich darüber nun lustig. Ganz falsch! Die Regierung weiß, was der Cyber-Krieg bedeutet.
Warum ruft die VVN-BdA auf, gerade am 3. Oktober in Kalkar zu demonstrieren?
Der 3. Oktober wird als Nationalfeiertag begangen, weil er die Wiedervereinigung brachte. Er brachte aber auch den Wiedereintritt Deutschlands in den Kreis der kriegführenden Länder. Und dies ist völkerrechtswidrig. Wir fordern die Einhaltung des „2+4-Vertrages“, durch den die deutsche Einheit zu Stande kam. Dies schließt ein, die NATO nicht bis an die Westgrenze Russlands auszudehnen. Dagegen wird verstoßen. Wir bleiben bei dem antifaschistischen Vermächtnis von 1945: Nie wieder Krieg von deutschem Boden aus. Deshalb sagen wir heute: Der Krieg beginnt hier und hier muss er gestoppt werden. Die Interessenskonflikte zwischen Staaten sind friedlich und in Verhandlungen zu lösen. Unser Land soll umfassend abrüsten. Dadurch werden erhebliche Mittel frei für friedliche und soziale Zwecke.
Und worum geht es in Essen am selben Tag?
Nach der Demonstration in Kalkar geht es nach Essen, wo wieder die Friedensdemonstration „Keine NATO-Planung neuer Kriege – Keine Werbung fürs Inferno“ gegen die JAPCC-Tagung in der Messe Essen stattfindet. Hier werden Kriegspläne geschmiedet und zugleich wird der Versuch gestartet, die öffentliche Meinung pro Krieg zu verändern. Die Konferenz des JAPCC ab dem 4.10. befasst sich mit militärischer Handlungsfähigkeit auch im radioaktiv, chemisch und biologisch verwüsteten Umfeld, was ein anderes Wort für Schlachtfeld ist.
Wir sind der Meinung, dass der Essener Politiker und spätere Bundespräsident Gustav Heinemann Recht hat, der in einer Bundestagsdebatte schon 1958 gegen den Plan der CDU/CSU, die Bundeswehr atomar aufzurüsten, geäußert hat: „Die neuen sogenannten Waffen sind die prinzipielle Außerkraftsetzung allen Kriegsrechts, sind das Ende aller Errungenschaften abendländischer Kultur. Ich frage Sie: Können Sie es verantworten, daß unser aller Selbstmord ins Augen gefaßt wird?
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