Pressemitteilung von 11.02.2017
Aufgrund der aktuellen Enthüllungen von „Spiegel online“ hegt die Initiative „NSU Watch NRW“ den Verdacht, dass der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz die Ermittlungen zum Wehrhahn-Anschlag behindert hat. „Der Verfassungsschutz führte einen V-Mann im direkten Unfeld des festgenommenen, mutmaßlichen Bombenlegers Ralf S.. Obwohl die Polizei bereits 2000 gegen Ralf S. ermittelte, wurde sie über den V-Mann erst zwölf Jahre nach dem Anschlag, im Jahr 2012, informiert. Der Verdacht der Behinderung der Polizeiermittlungen liegt nahe. Hier bahnt sich ein Verfassungsschutz-Skandal von ungeheurer Dimension an“, so Maria Breczinski, Sprecherin von „NSU Watch NRW“. Die Initiative begleitet den NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag. „Spiegel online“ zitiert aus einem Vermerk der Düsseldorfer Polizei, wonach Andre M., Deckname „Apollo“, von August 1999 bis Mai 2000 als V-Mann für den Verfassungsschutz NRW tätig gewesen sei. Der V-Mann sei ein Bekannter von Ralf S. gewesen und habe im Juni 2000 für die Sicherheitsfirma des mutmaßlichen Attentäter gearbeitet. Kontakt zu den Polizeiermittlern der EK „Acker“ hatte M. demnach bereits im September 2000, als er im Zusammenhang mit dem Anschlag als Zeuge vernommen wurde. Dass es sich bei M. um einen V-Mann handelt, offenbarte der Geheimdienst der Polizei erst im Jahr 2012. Zugleich berichtete der ehemalige V-Mann-Führer, er sei „zur Tatzeit“ des Wehrhahn-Anschlags mit dem V-Mann Andre M. zusammen gewesen, der im Hafen Flugblätter verteilt habe. „Nachdem der Verfassungsschutz zwölf Jahre die V-Mann-Tätigkeit gegenüber der Polizei verschwiegen hatte, präsentierte der Geheimdienst dann im Jahr 2012 der Polizei ein Alibi für seinen Schützling. Dieses Alibi ist zweifelhaft: Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich der V-Mann-Führer mit dem offiziell abgeschalteten V-Mann ausgerechnet am Tag des Bombenanschlags getroffen haben soll“, so Maria Breczinski. Verdächtig erscheint der Initiative auch die von „Spiegel Online“ zitierte Aussage, dass im September 2000 sowohl eine Polizeivernehmung von M. stattfand, als auch ein angeblich „völlig unergiebiges“ Treffen von Andre M. und dem Verfassungsschutz, bei dem M. etwas zum Anschlag sagen wollte. Was M. mit dem Verfassungsschutz besprach, ist nicht bekannt. Die polizeiliche Ermittlungskommission „Acker“ wurde nicht über die Angaben des V-Mannes informiert. So hat deren damaliger Leiter Dietmar Wixfort am 7. Februar 2017 vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, dass er trotz Nachfrage seinerseits keinerlei Information vom NRW-Verfassungsschutz erhalten habe. „Konnte der Wehrhahn-Anschlag all die Jahre nicht aufgeklärt werden, weil der Verfassungsschutz seinen V-Mann schützen wollte? Was wusste der Verfassungsschutz tatsächlich über die Umstände des Anschlags“, fragt deshalb „NSU Watch NRW“. Die Initiative stellt zudem die Frage, ob der V-Mann Andre M. möglicherweise einer der beiden bislang nicht identifizierten Neonazis ist, welche die Schüler_innen der Sprachschule bedrohten. Nach Informationen der Düsseldorfer Antifa bewegte sich Andre M. im erweiterten Kreis der „Kameradschaft Düsseldorf“ um Sven S.. Zusammen mit der „Kameradschaft Düsseldorf“ nahm er im November 1999 in Duisburg an einem neonazistischen „Heldengedenken“ teil und beteiligte sich im April 2000 an der versuchten Störung einer Lesung mit Jan-Philipp Reemtsma in Düsseldorf. Auf dem Schädel trägt er eine Tätowierung mit dem Schriftzug „Blood & Honour“. „NSU Watch NRW“ fordert eine „vollständige und ernsthafte Aufklärung der Rolle des Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit dem Wehrhahn-Anschlag“. Nicht nachvollziehen kann die Initiative, dass der Ausschussvorsitzende Sven Wolf (SPD) in der Sitzung am 7. Februar 2017 Fragen zu V-Leuten im Umfeld von Ralf S. unterbunden hat. Sven Wolf hatte dies auf Twitter mit Fürsorge für den Zeugen Wixfort begründet. „Sven Wolf und der PUA sollten sich ihres Auftrages bewusst werden und für Aufklärung ohne Einschränkung der Öffentlichkeit sorgen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses sich mit den Interessen des von einem Parteifreund geführten Innenministeriums gemein macht“, so Maria Breczinski, Sprecherin von „NSU Watch NRW“.