Rede von Gisela Blomberg (VVN-BdA) bezüglich der Gedenkfeier am 27. Januar 2019
28. Januar 2019
Gedenken an die ehemaligen KZ-Häftlinge der Lager Berta 1 und Berta 2 am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus 2019.
Gemeinsame Veranstaltung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. (VVN-BdA) Düsseldorf und des Düsseldorfer Friedensforums.
Rede von Gisela Blomberg (Kreisvorstand VVN Düsseldorf)
Heute vor 74 Jahren wurde das KZ Auschwitz durch die Rote Armee befreit.
Auch in Düsseldorf gab es 6 KZ-Außenlager, 5 davon waren Außenkommandos des KZs Buchenwald, das Lager in Düsseldorf-Stoffeln war eine Außenstelle des KZs Sachsenhausen, darüber hinaus gab es in dieser Stadt über 400 Lager für Zwangsarbeiter. 1944 waren in Düsseldorf 35.000 Menschen, d.h. über ein Viertel aller Beschäftigten, unter unmenschlichen Bedingungen zur Zwangsarbeit eingesetzt. In den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen wurde Zwangsarbeit als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.
Wir möchten heute den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus zum Anlass nehmen, an die Buchenwalder KZ-Häftlinge, die hier in der Waffenschmiede Rheinmetall zur Sklavenarbeit gezwungen wurden, zu erinnern.
Bei Rheinmetall hat das Geschäft mit dem Tod Tradition, Profite werden mit Aufrüstung und Kriegen generiert. Schon im 1. Weltkrieg war Rheinmetall einer der größten deutschen Rüstungshersteller, auch damals wurden Zwangsarbeiter ausgebeutet.
Nur 20 Jahre später verbündete sich Rheinmetall mit dem Nazi-Regime, die imperialistischen Expansionspläne der deutschen Faschisten entsprachen den Konzerninteressen, Aufrüstung und aktive Kriegsvorbereitung kurbelten erneut die Profite an. Konzernvertreter wie Generaldirektor Hellmuth Röhnert und andere Manager vertraten die Interessen von Rheinmetall in den wichtigsten Gremien der Kriegsführung.
Am 11. April 1937 kam Adolf Hitler zu Rheinmetall in Düsseldorf, 1939 wurde in der Festschrift zum 50-jährigen Firmenjubiläum dieser Besuch „als die größte Ehre, die einem deutschen Werk widerfahren kann“ bewertet. Und weiter hieß es dort:
„Möge es dem Werk vergönnt sein, an der gewaltigen Aufbauleistung unseres geliebten Führers und Reichskanzler Adolf Hitlers …. zum Wohle des Großdeutschen Volkes auch in der Zukunft erfolgreich mitzuarbeiten!“
Nach dem Hitler Besuch gaben sich weitere Nazigrößen ein Stelldichein bei Rheinmetall.
Um während des Krieges die Rüstungsproduktion zu forcieren wurde – wie schon zuvor im 1. Weltkrieg – auf die Ausbeutung von Zwangsarbeitern zurückgegriffen. Diesmal in noch größerem Stil, mindestens 300.000 Sklavenarbeiter schufteten unter menschenunwürdigen Bedingungen 12 Stunden und mehr pro Tag in den Rüstungswerken des Konzerns.
Ab 1943 wurden in den Düsseldorfer Werken – und nicht nur hier – Häftlinge aus den Konzentrationslagern angefordert.
Zuerst wurde das Kommando Berta (ein Deckname für Rheinmetall) an der Schlüterstraße in Düsseldorf Flingern eingesetzt. Etwa 600 Häftlinge waren in der Werkshalle, die sie nicht verlassen durften, eingesperrt, die Bedingungen waren katastrophal, in den ersten Monaten gab es noch nicht einmal sanitäre Anlagen.
Ab dem 1.September 44 wurde an diesem Ort hier ein weiteres KZ Außenlager, genannt Berta II in Betrieb genommen. 260-270 Häftlinge waren in dem Keller der ehemaligen Rheinmetall-Halle unter menschenunwürdigen Bedingungen eingeschlossen. Nur zur Arbeit durfte der Keller verlassen werden.
Die KZ-Außenlager Berta I und Berta II unterstanden der SS, Wilhelm Knauf der Kommandant beider Lager wurde nach dem Krieg zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Zur Bewachung waren auch Düsseldorfer Schutzpolizisten eingesetzt.
Die hygienischen Verhältnisse in beiden Lagern waren völlig unzureichend, es gab zu wenig Kleidung und die Häftlinge litten an chronischer Unterernährung. Im Feb. 44 starben 3 Häftlinge, da sie aus Mangel an Nahrung giftige Knollen gegessen hatten.
Brutalität bestimmte den Alltag, die Prügelstrafe mit Gummischläuchen auf das nackte Gesäß gehörte zum „normalen“ Tagesablauf, zudem wurden Kollektivstrafen verhängt, viele Häftlinge wurden zu Tode gequält. Die Todesursachen wurden meistens unter den Begriffen Herzversagen oder Suizid versteckt.
Bei einem Luftangriff auf das Lager Berta I kam es unter den Häftlingen zu einer verständlichen Panik, sie rannten vom Werksgelände, vielleicht nutzten einige die Situation auch zur Flucht, die SS-Männer erschossen daraufhin 18 von ihnen.
Der größte Teil der Häftlinge kam aus Russland, der Ukraine, Polen, Frankreich, Italien, Belgien, den Niederlanden und der Tschechoslowakei, aber es gab auch einige deutsche Häftlinge. Sie alle wurden in der Produktion der Behälter für die sogenannten Vergeltungsraketen V1 und V2 eingesetzt. Unter den deutschen Häftlingen gab auch einige Politische, Toni Fleischhauer war einer von ihnen, er konnte aus dem Lager flüchten und berichtete später, dass es sehr wohl Versuche gab, die Produktion zu sabotieren, es war allerdings sehr gefährlich. Wenn dies auffiel, wurden 10 Häftlinge erschossen.
Sabotage geschah teilweise durch langsames Arbeiten, aber auch durch schnelles Arbeiten, da dann die Schweißnähte der Raketenbehälter nicht lange hielten, die Häftlinge hatten auch erfahren, dass die Chemikalien von Tintenstiften schlimmer für die V2 Körper waren als Salzwasser.
Der Werkschutz von Rheinmetall wachte auch darüber, dass es nicht zu Kontakten mit den anderen Arbeitern kam. Die Arbeitsbedingungen waren mörderisch, Arbeitsschutz galt für KZ-Häftlinge nicht, Verletzungen am Arbeitsplatz gehörten zum Tagesgeschäft. Aber auch der Lagerkommandant, d.h. die SS kam in die Rheinmetall-Werke, um die KZ-Häftlinge zur Arbeit anzutreiben. Es war eine Schinderei bis in den Tod. Im August 44 z.B. zwang der Lagerkommandant mit seiner Pistole den schon an TBC erkrankten russischen Häftling Tschaikowsky zur Arbeit. Kurz danach starb Tschaikowsky.
Bei Schwäche und Krankheit wurden die Häftlinge in das KZ Buchenwald zurückgeschickt, d.h. in den sicheren Tod. Rücksicht auf die Gesundheit und das Leben der Häftlinge brauchte nicht genommen werden, der Nachschub an menschlicher Arbeit war über die Konzentrationslager gesichert. Bei Todesfällen waren Betriebe auch nicht dazu verpflichtet, Berichte über die Todesursachen anzufertigen, es reichte den Ausfall an Arbeitsfähigen mitzuteilen, zur Auffüllung des Kontingents wurden Häftlinge aus dem Stammlager in die Außenlager verschickt. Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen war die Vernichtung ganzer Völkerschaften durch Arbeit d.h. sie war Teil des faschistischen Massenmords.
Rheinmetall fühlt sich bis heute juristisch nicht verantwortlich für die grauenvollen Taten, begangen hier und in anderen Werken. Die Firma bezahlte in Abhängigkeit der Leistungsfähigkeit der Häftlinge zwischen 1 Reichsmark Zwanzig bis fünf Reichsmark an die SS. Damit war für Rheinmetall die Sache abgetan, die Häftlinge wurden nicht zur Belegschaft gezählt.
Als Anfang März 1944 die Amerikaner die linke Rheinseite von Düsseldorf erreichten, begann die SS mit der Evakuierung der Lager Berta 1 und Berta. Die Häftlinge wurden auf den Marsch zurück in das KZ Buchenwald geschickt. Diese Evakuierung war die reinste Tortur, zu Fuß ging es Richtung Erkrath, von dort aus nach Hochdahl, die Häftlinge mussten ein Auto und mehrere LKW Anhänger ziehen, Ortskundigen ist bekannt, dass Hochdahl seinen Namen alle Ehre macht. Bei Mettmann gab es Tieffliegerangriffe, einige Häftlinge versuchten zu fliehen, die SS machte Jagd auf die Flüchtenden und erschoss diese. Um jegliche Fluchtversuche zu verhindern, erfolgte ab Wermelskirchen der Transport mit dem Zug.
Am 10. März kamen die Häftlinge in Buchenwald an, noch ein weiterer qualvoller Monat bis zur Befreiung am 11.April 1945 stand ihnen bevor.
Die Überlebenden des KZs Buchenwald schworen:
„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“.
Dieser Losung fühlen wir uns auch heute verpflichtet. Eine Welt des Friedens und der Solidarität aber haben wir noch nicht geschaffen, im Gegenteil Rechtsentwicklung und damit verbundene Kriegstreiberei haben wieder Konjunktur. Rüstungskonzerne wie Rheinmetall steigern die Profite ihres todsicheren Geschäfts. Dagegen müssen wir uns gemeinsam wehren!
Krieg beginnt hier – Stoppt die Rüstungsproduktion!!
(Photos: Inge Trambowsky)