Gedenkgang 09.11.2018 – 80 Jahre Pogrom in Düsseldorf

19. November 2018

Rede von Gisela Blomberg, VVN Düsseldorf

Wir gedenken heute des Pogroms, das vor 80 Jahren auch in Düsseldorf stattfand. Wir wollen damit auch ein Zeichen setzen gegen irgendwelche Bestrebungen eines Herrn Höcke oder seiner Gesinnungsgenossen, die heute offen äußern können, dass in der Gedenkpolitik eine Wendung um 180 Grad vorgenommen werden soll. Wir wenden uns gegen jegliche Geschichtsklitterung und Verschleierung der Ursachen und der Verbrechen des deutschen Faschismus.

Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

Das Attentat in Paris auf den deutschen Diplomaten Ernst von Rath fand statt in einem historischen Augenblick, in dem das faschistische Regime dabei war, die Vertreibung der jüdischen Deutschen zu forcieren. So war der Anlass gefunden, die Strategie der Judenverfolgung zum Pogrom zu steigern.

Folglich verfälschte die faschistische Propaganda die verzweifelte Tat eines Einzeltäters augenblicklich in ein antideutsches Komplott des internationalen Judentums.

Hier handelt es sich um einen Phantasiebegriff, geprägt, um die Bevölkerung in Deutschland auf die Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung der Juden einzustellen.

Die nicht-jüdische Bevölkerung wurde von den Nazis zum Kern einer angeblichen Herrenrasse der Arier erklärt, die dazu berufen seien, die Welt zu beherrschen.

Die rassistischen Doktrinen dienten auch der Umleitung des Klassenkampfes in den Rassenkampf, arische Unternehmer wurden in die Volksgemeinschaft einbezogen, für alle Missstände hingegen wurde das Judentum verantwortlich gemacht. Somit wurde der als Arisierung getarnte Raub von Unternehmen und Vermögen jüdischer Menschen legitimiert.

Nicht nur jüdische Menschen wurden zu Feinden der Herrenrasse erklärt sondern auch anderen Völkern vor allem den Slawen, den Sinti und Roma und den Menschen des afrikanischen und asiatischen Kontinents wurde von den Naziführern, denen der Mord an Gegnern und angeblichen Rassefeinden keinerlei Skrupel bereiteten, der Status von Untermenschen zugewiesen. Die Bestimmung der Mehrheit der Weltbevölkerung sei es, beherrscht und ausgebeutet zu werden.

Der Marxismus wurde als jüdisches Machtwerk mit dem Ziel der Schwächung der Völker und die Oktoberrevolution als Sieg des jüdischen Bolschewismus denunziert. So sollten jegliche Angriffe auf jüdische Menschen, auf die Arbeiterbewegung mit ihren Judenknechten und später auf die UdSSR als gerechter Abwehrkampf legitimiert werden. Auch das englische und französische Volk befände sich in Händen des internationalen Judentums, lasse sich von diesem gegen Deutschland missbrauchen und müsse deshalb bekriegt werden. Das deutsche Volk wurde so auf den bevorstehenden Krieg eingestellt, für den ein Feindbild im Inneren und Äußeren notwendig war. Die Judenverfolgung war Teil der systematischen Vorbereitung auf den Krieg gegen die UdSSR, wie diese im Vierjahresplan festgelegt war.

„Faschistischer Rassismus und Rassenantisemitismus waren mithin den Herrschafts- und Expansionsinteressen des deutschen Imperialismus direkt auf den Leib geschneidert“, so der Historiker Kurt Pätzold. Arier sollten in sogenannten Nicht-Ariern und Judenknechten keine Menschen mehr erkennen.

Auch in Düsseldorf gehörte brutaler Terror zum Alltag unter dem Hakenkreuz.

Gauleiter Florian verkündete nach der Machtübergabe am 31.01.1933:  ich zitiere: „Unsere Aufgabe heisst: Als Träger des neuen deutschen Volksgeistes die undeutsche Geisteswelt in unserem Vaterland zu vernichten“

Bis April 1933 gab es allein in Düsseldorf über 3.800 Festnahmen, das bedeutete brutale Folter, Gefängnis und Überstellung in die berüchtigten Emslandlager.

Am 10. März 1933 d.h. fast einen Monat vor der reichsweiten Aktion fanden in Düsseldorf die 1. Boykottmaßnahmen gegen jüdische Ärzte, Rechtsanwälte und Geschäfte mit jüdischen Inhabern statt. Zu diesem Zeitpunkt lebten ca. 5.000 Juden in Düsseldorf.

SA Trupps stellten sich vor den Geschäften auf, es kam zur Schikane der Kunden, teilweise auch Plünderungen und massivem Vorgehen gegen Geschäftsinhaber. In der Folge wurden viele jüdische Geschäftsleute unter Druck gesetzt, um ihre Unternehmen unter Wert zu verkaufen, hierzu zählten z.B. das Carschhaus oder das Kaufhaus von Leonhard Tietz, das dann zum Kaufhof wurde.

Vor genau 80 Jahren wurde auch in Düsseldorf mit dem Befehl zu dem abscheulichen Pogrom die forcierte Vertreibung der jüdischen Einwohner der Stadt eingeleitet.

Die große Synagoge an der Kasernenstraße und andere Räume der jüdischen Gemeinde wurden in Brand gesteckt bzw. zerstört. Rückte die Feuerwehr aus, so ging es nicht darum, die Brände zu löschen, sondern zu verhindern, dass das Feuer auf die Nachbargebäude überging. Die SA und die SS verwüsteten nahezu 500 Einzelhandelsgeschäfte und Wohnungen, Möbel, Kunstwerke und Hausrat wurden völlig demoliert und durch die Fenster auf die Straßen geworfen, jüdische Menschen gedemütigt und schwer misshandelt. Mindestens 15 Menschen überlebten diese Angriffe nicht und die Zahl der Verletzten war sehr groß. Über 120 jüdische Menschen wurden verhaftet, von diesen wurden 82 Männer in das KZ Dachau bei München deportiert. Eine große Anzahl von Menschen wurden in den Suizid getrieben. Selbstverständlich gab es in Düsseldorf auch Menschen, die versuchten ihre jüdischen Nachbarn zu unterstützen, die Mehrheit der Bevölkerung jedoch war inzwischen genügend diszipliniert worden, um nicht zu protestieren.

Mit diesem Überfall auf die jüdische Bevölkerung begann die letzte Etappe der seit 1933 verfolgten Strategie der Vertreibung der Juden aus Deutschland, die schließlich im Holocaust endete. Das Pogrom ließ keinen Zweifel mehr daran, dass es für die jüdischen Menschen keine Zukunft in ihrem Vaterland geben sollte. Gleichzeitig wurde die Volksmehrheit ein weiteres Mal darauf eingestimmt, wie mit Menschen, die nicht zur „arischen Herrenrasse“ gezählt wurden und zu Gegner des Regimes gemacht wurden, umgegangen werden sollte.

Auch heute gibt es viele Kräfte, die auf Ausgrenzung, Rassismus und menschenverachtende Politik setzen, die vermeintlich einfache Lösungen für gravierende gesellschaftliche Probleme propagieren. Dabei bedienen sie sich des Mittels des Betrugs, sie leiten Frustrationen und Ängste auf sogenannte Problemgruppen um und lenken so von den eigentlichen Ursachen ab, d.h. von der seit Jahren stattfindenden Umverteilung von unten nach oben durch den forcierten neoliberalen Sozialabbau. Statt einer Rücknahme der schikanösen Hartz IV Gesetze zum Beispiel nähern sich auch die anderen Parteien chauvinistischen Positionen z.B. in der Flüchtlingsfrage an. Die Rechten bieten keine Lösungen der heutigen Probleme, im Gegenteil sie verschärfen Entsolidarisierung und Ausgrenzung. Es ist unsere Aufgabe, die wachsende Rechtsentwicklung zu bekämpfen. Der drohenden Gefahr eines großen Krieges gegen Russland müssen wir entschieden entgegentreten.

Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!