75. Jahrestag 8. Mai 1945 | Tag der Befreiung, Chance für Frieden und Demokratie
11. Januar 2020
75. Jahrestag 8. Mai 1945 | Tag der Befreiung, Chance für Frieden und Demokratie
Am 8. Mai wurde ganz Europa von der Geißel des Faschismus befreit. In Deutschland erlebten in erster Linie die überlebenden Verfolgten, Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer diesen Tag als Befreiung. Aber auch wir alle, die wir heute leben, verdanken die Grundlagen unseres Lebens in Frieden, Freiheit und Vielfalt den Siegerinnen und Siegern des 8. Mai. Die alliierten Streitkräfte, unter denen die Rote Armee mit Abstand die größte Last des Krieges in Europa zu tragen hatte, sind und bleiben auch unsere Befreierinnen und Befreier. Mit besonderer Dankbarkeit erinnern wir an den Beitrag, den der deutsche antifaschistische Widerstand in Deutschland, in der Emigration, als Teil von Partisanenverbänden und in den Streitkräften der Anti-Hitler-Koalition geleistet hat.
Mehr als 55 Millionen Menschen fielen Nazi-Terror, Holocaust und Vernichtungskrieg zum Opfer. Sie bezahlten den deutschen Griff nach der Weltherrschaft mit unvorstellbarem Leid und ihrem Leben. Die deutsche Wirtschaft, allen voran Chemie-, Rüstungsindustrie und Banken waren die Gewinner von „Arisierung“, Krieg und der Ausbeutung von KZ-Häftlingen und Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern. Diese Gewinne bildeten die Grundlage des „Wirtschaftswunders“ in der Bundesrepublik, während die Opfer um jede Mark Entschädigung kämpfen mussten und bis heute kämpfen müssen.
In nahezu allen ehemals von Nazi-Deutschland besetzten Ländern wurden der 8. und/oder 9. Mai gesetzliche Feiertage. Das war auch in der DDR der Fall. Genau 40 Jahre hat es gedauert, bis ein Präsident der Bundesrepublik an einem 8. Mai von Befreiung gesprochen hat. Bis dahin hatte die Sicht der Nazis, der Deutsch-Nationalen, der „Frontkämpfer“, der Profiteure, Mitläuferinnen und Mitläufer das offizielle Vokabular geprägt: Zusammenbruch, Kapitulation, Besatzung. Mit Weizsäckers Rede wurde die Perspektive der Verfolgten des Nazi-Regimes „gesellschaftsfähig“.
Damit das so bleibt, fordern wir, dass der 8. Mai als Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg endlich auch in Deutschland ein gesetzlicher Feiertag wird.
Die Früchte des 8. Mai sind stets gefährdet. Rassismus, Nationalismus, Chauvinismus, Antisemitismus und Antiziganismus,– alle möglichen Ideologien zur Begründung sozialer Ungleichheit und gesellschaftlicher Ausgrenzung haben Konjunktur. Die soziale Spaltung der Gesellschaft hat ein Ausmaß erreicht, in dem die Angst vor dem Abstieg Anpassungsdruck und Ausgrenzungsbereitschaft erhöht. Wir erleben, dass Grundrechte immer weiter eingeschränkt werden. Die „Erfolge“ der rechten Parteien hat den politischen Diskurs nach rechts verschoben. Wir sehen mit Sorge, wie unbarmherzig Teile unserer Gesellschaft Geflüchteten gegenübertritt und gewaltsame Übergriffe duldet. NSU, Lübke-Mord, der Anschlag von Halle, Neofaschistinnen und Neofaschisten in Polizei, Spezialeinheiten und Bundeswehr zeigen die Verstrickung der Rechten bis in staatliche Strukturen hinein. Jüngstes Beispiel ist der Uniter e.V., ein Verein, dem die Bildung einer rechtsextremen Schattenarmee und beste Kontakte zum Verfassungsschutz nachgesagt werden.
Der rasante Aufstieg nationalistischer, rechter und neofaschistischer Kräfte in nahezu allen europäischen Ländern verlangt entschiedene Gegenwehr. Gleichzeitig sehen wir Angriffe auf demokratische Kräfte. Neben strafrechtlicher Verfolgung wird versucht, auch über den Entzug der Gemeinnützigkeit, wie zum Beispiel von attac oder der VVN-BdA die Arbeit von Antifaschistinnen und Antifaschisten zu erschweren.
Der Wiedereintritt Deutschlands in die Reihe der Krieg führenden Länder, stellt einen Bruch mit dem Nachkriegskonsens: „Es soll nie wieder Krieg von deutschem Boden ausgehen“ als wichtigste Lehre aus der jüngeren deutschen Geschichte dar. In vielen Ländern der Welt, zum Beispiel im Irak, in Syrien, in der Ukraine, im Jemen und Mali toben Kriege. In Südamerika putscht die Rechte gegen linke Regierungen und bringt, wie in Brasilien, Faschisten an die Macht. Wieder sind deutsche Waffen – und oft auch deutsches Militär – beteiligt. Die Bereitschaft, „deutsche Interessen“ erneut mit militärischen Mitteln durchzusetzen ist gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung in Regierung und Bundestag wieder politische Praxis geworden.
Gerade darum wollen wir den 8. Mai zum Feiertag machen, den die Überlebenden als „Morgenröte der Menschheit“ wahrgenommen haben, wie es der als Jude und Kommunist verfolgte Résistance-Kämpfer Peter Gingold ausgedrückt hat. Wir wollen am 8. Mai vor allem an die Hoffnung der Befreiten, auf eine Welt ohne Kriege, Elend und Unterdrückung erinnern und diese als Impuls nehmen, weiter an der Schaffung einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit zu arbeiten, so wie es die befreiten Häftlinge von Buchenwald geschworen haben.
In diesem Sinne rufen wir auf:
Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!
Wir halten Euch bezüglich der Planung der Aktivitäten um den 8. Mai herum auf dem Laufenden.