Angriffe und Messerwurf auf Antifaschist*innen
Etwa 450 Personen waren am 17. November 2018 dem Aufruf diverser extrem rechter Organisationen gefolgt, um in der NRW-Landeshauptstadt unter dem Motto „Migrationspakt stoppen“ auf die Straße zu gehen.
Stark vertreten an dem Tag waren rechte und gewaltbereite Hooligans aus dem Spektrum der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) und „Gemeinsam stark Deutschland“. Sie stellten rund ein Drittel der Teilnehmenden. Eben jener Szene ist auch die vom Düsseldorfer Süden aus agierende „Bruderschaft Deutschland“ zuzuordnen, auf deren Konto zwei verletzte Gegendemonstranten gehen. Dass es nicht auch einen Toten durch ein gezielt auf Gegendemonstrant*innen geworfenes Messer gab, ist nur dem Zufall zu verdanken. Zum Gegenprotest aufgerufen hatte das Bündnis „Düsseldorf stellt sich quer“, dem Aufruf waren aber leider nur wenige Hundert Personen gefolgt, so dass die extreme Rechte zum ersten Mal seit vielen Jahren in Düsseldorf tatsächlich in der Überzahl war.
Angemeldet worden war die Kundgebung am Johannes-Rau-Platz mit anschließendem Umzug über den Fürstenwall, die Kronprinzenstraße und die Reichsstraße zurück zum Auftaktkundgebungsplatz von der gut vernetzten Kleinstgruppe „Patrioten NRW“ um Stefan Witte und Stefanie van Laak, beide aus Köln. Dem Aufruf angeschlossen hatten sich unter anderem die Gruppierungen „Frauenbündnis Kandel“, „Mütter gegen Gewalt“ und der nicht unwesentlich aus rechten Hools bestehende und von Dennis Mocha angeleitete „Begleitschutz Köln“, der sich zwischenzeitlich in „Internationale Kölsche Mitte“ umbenannt hat. „Mönchengladbach steht auf“ um den ehemaligen „pro NRW“-Vizeparteivorsitzenden Dominik Roeseler trommelte zudem mit einem eigenen Aufruf und einem Mobilisierungsvideo in der rechten Hooligan-Szene und versprach „kurze hochkarätige Reden“ und „Musik“. In der Szene wurde bereits hoffnungsvoll über einen eventuellen Auftritt von „Kategorie C“ bzw. von deren Frontmann spekuliert.
„In den Farben getrennt, in der Sache vereint“
„Gut ist das wir für die Sache vereint stehen denn es ist unser Land da ist der Fußball mal außen vor jedem sein Verein für die Heimat Vereint“, stammelt F95- und „Bruderschaft Deutschland“-Fan Franz Schleder aus Düsseldorf mit Rückblick auf die Aktion auf Facebook. „Nennen wir es doch einfach Länderspiel“, schlägt ein Mönchengladbacher Hooligan aus dem Dunstkreis von „Mönchengladbach steht auf“ vor: „Da laufen wir auch Seite an Seite.“ Wenn es um die Abwehr eines bei einer Verabschiedung des UN-Migrationspakts angeblich drohenden Untergangs Deutschland oder gar des kompletten „Abendlandes“ geht, treten ansonsten gepflegte Feindschaften zwischen den Fans einzelner Vereine in den Hintergrund. So ist es möglich, dass – wie am 17. November – rechte Hools aus den Fanszenen des 1. FC Köln, MSV Duisburg, von Borussia Mönchengladbach, Fortuna Düsseldorf und aus anderen Vereinen Schulter an Schulter gegen eine „Messereinwanderung“ und für eine „Festung Europa“ auf die Straße gehen. Sie – die letzten, die hierfür „die Eier“ hätten – möchten voranschreiten und auf der Straße den Weg „frei kämpfen“ für den braven, aber „nicht wehrfähigen Normalbürger“, der sein berechtigtes Anliegen vortragen möchte, hieran aber von „kriminellen linken Elementen“ gehindert würde. Dabei ist „frei kämpfen“ wörtlich zu nehmen. In der Regel wissen Gruppierungen wie „Patrioten NRW“ und „Mütter gegen Gewalt“ ein solches Engagement zu schätzen, hadern aber zuweilen damit, dass dieses selten mit dem angestrebten seriösen Auftreten in Einklang zu bringen ist. Ein Teil ihres bürgerlichen Publikums rümpft beim Auftreten der Hools schon einmal die Nase. Am 17. November 2018 drückte sich das unter anderem darin aus, dass die Veranstalter bei der Auswahl ihrer Ordner und Ordnerinnen mit Ausnahme des mitveranstaltenden Kölner „Begleitschutzes“ nicht auf die rechte Hool-Szene zurückgriffen und Dominik Roeseler, eine der zentralen Figuren aus dem HoGeSa/„Gemeinsam stark Deutschland“-Spektrum, keine Rede zugestanden wurde.
„Keine Gewalt“?
Auch am 17. November 2018 betonte Stefan Witte in seiner Abmoderation noch einmal, dass man sich von „jedweder Gewalt“ distanziere – ohne freilich zu benennen, vom wem diese zuvor ausgegangen war. Nachdem der „erlebnisorientierte“ Teil seines Publikums statt „kurze hochkarätige Reden“ und „Musik“ etwa 90 Minuten langatmige, immer gleiche Reden und keine Live-Musik präsentiert bekam und sich sichtlich genervt zeigte, trachtete er nach praktischeren Ausdrucksformen des Protestes. Dass Angriffe auf Gegendemonstrant*innen geplant waren, zeichnete sich deutlich an den Absprachen untereinander ab, daran hatten nicht rechte Beobachter*innen des Geschehens schon vor der Aufstellung des Demonstrationszuges keinerlei Zweifel. Nur den anwesenden Polizeikräften, die sich mehr mit dem recht schwachen Gegenprotest beschäftigten und der rechten Demo an der Angriffsstelle sogar großteils den Rücken zukehrten, schien das entgangen zu sein. Und so kam, was kommen musste. Nachdem sie schon zuvor Parolen wie „Schlagt sie tot!“ gerufen hatten, griffen die rechten Hools organisiert an. Während einige von ihnen beim Vorrücken Polizeikräfte auf sich zogen, gelang es anderen, durch die großzügigen Lücken der lockeren Polizeikette zu kommen und den Gegenprotest anzugreifen. Zwei Gegendemonstranten wurden hierbei durch Faustschläge kampferprobter und mit Lederhandschuhen ausgestatteter Aufmarschteilnehmer im Gesicht und am Hals verletzt. Besonders hervor tat sich bei dem Angriff die „Bruderschaft Deutschland“, die nebst Umfeld mit einem Pulk von etwa 30 Personen erschienen war. Die beiden verletzten Personen gingen auf das Konto des Anführers der „Bruderschaft Deutschland“, Ralf Nieland, und des mit der „Bruderschaft“ eng verbandelten Miguel Arce-Luarca, beide aus Düsseldorf. Während Nieland sofort nach dem Angriff von Polizeibeamten überwältigt werden konnte, schaffte es Arce-Luarca zunächst, sich seiner Festnahme zu entziehen, wobei ihm weitere „Bruderschaft“-Mitglieder, denen es beim Angriff nicht gelungen war, die Polizeikräfte zu überrennen, behilflich waren – während ein BVB-Hooligan aus Mönchengladbach, der sich bei Facebook „Rene Lange“ nennt, einen weiteren Faustschlag gegen Arce-Luarcas Opfer richtete. Letztendlich wurde Arce-Luarca dann aber doch nach Beendigung des Aufmarsches in Polizeigewahrsam genommen. „War mir eine Genugtuung. Mann kann sich nicht alles gefallen lassen…“, kommentierte der in Eller lebende Ralf Nieland am Tag nach dem Aufmarsch seinen Angriff im Internet. Aus seiner „Bruderschaft“ folgte dann auch sogleich die Zusage von Unterstützung: Man werde für „die Strafe vom Ralf zusammen schmeißen“.
Zunächst offenbar völlig unbemerkt blieb ein Vorfall, kurz nachdem Ralf Nieland von der Polizei fixiert werden konnte. Ein Kölner Hooligan schleuderte eine Art Wurfmesser auf Kopfhöhe in Richtung einiger Gegendemonstranten – und verfehlte dabei nur äußerst knapp sein Ziel. Klaus W. aus dem Kreis der „Bruderschaft“ aus Garath, der augenscheinlich bemerkt hatte, was da geplant war, hatte zuvor einen „Kameraden“ gestoppt, damit dieser nicht in die Wurflinie geriet – und damit ermöglicht, dass die Bahn für den Wurf frei war und das Geschoss niemanden aus den eigenen Reihen treffen konnte. Alle genannten Angriffe und auch der Messerwurf sind auf im Internet veröffentlichtem Videomaterial zu sehen.
Ausblick
Die seit 2017 öffentlich in Erscheinung tretende „Bruderschaft Garath“, die sich zwischenzeitlich in „Bruderschaft Deutschland“ umbenannt hat und insbesondere von Ralf Nieland und vom Garather Kai Kratochvil angeleitet wird, versucht sich seit Monaten am Aufbau einer Art „patriotischen“ Bürgerwehr. So tauchte die Gruppe schon mehrfach mit bis zu 35 Personen in Eller auf, wo mehrere Mitglieder der „Bruderschaft“ wohnen, posierte zum Gruppenfoto vor dem S-Bahnhof Eller-Süd und zeigte anschließend „Präsenz“ im Stadtteil – sowohl beim „Vorglühen“ im „Brauhaus Fuchsjagd“, als auch auf der Gumbertstraße, inklusive eines gemeinsamen „Spaziergangs“ nach Oberbilk. Frei nach dem Motto „Wenn wir da sind, dann trauen sich nichtdeutsche Kriminelle nicht, schlimme Dinge zu tun“.
Mitglieder der Gruppe, unter ihnen auch der F95-Dauerkarteninhaber Ralf Nieland, sind auch auf neonazistischen Aufmärschen anzutreffen, beispielsweise am 14. April 2018 beim „Europa erwache!“-Aufmarsch der „Die Rechte“ in Dortmund. In Düsseldorf und im Düsseldorfer Umland erfreut sich die „stabile Truppe“, wie sie sich gerne bezeichnet und bezeichnen lässt, immer größerer Beliebtheit. Sie verstärkt sich zunehmend aus ihrem Umfeld. Hinzu kommt eine aktiv betriebene Vernetzung und Verbrüderung mit Gleichgesinnten in anderen Städten. Neben den bereits genannten Gruppen aus Mönchengladbach und Köln ist das insbesondere die „First Class Crew“ aus Essen, die auch als „Steeler Jungs“, „Huttroper Jungs“ und „Borbecker Jungs“ auftritt und die engste Verbindungen in die Rocker-Szene und Kampfsport-Szene hat. „Die Essener“ waren am 17. November aus unbekannten Gründen nicht in Düsseldorf. Sie seien aber beim nächsten Mal auf jeden Fall dabei, so Ralf Nieland, ebenso wie „die Duisburger“. Wann dieses „nächste Mal“ sein wird, ist noch unklar. Demoanmelder Stefan Witte hatte jedoch am 17. November ab Januar 2019 monatliche Demonstrationen in Düsseldorf angekündigt. Nicht bis zum nächsten Mal warten wollte offenbar die Kölner Truppe, aus deren Reihen nach der Ankunft am Kölner Hauptbahnhof rumgehitlert und ein dagegen protestierender Bahnreisender zusammengeschlagen wurde.
Bis zum nächsten Düsseldorfer Auftreten wäre es dringend nötig, aus den Erfahrungen vom 17. November zu lernen und den Gegenprotest neu aufzustellen. Messerwürfe auf Gegendemonstrant*innen machen eine breite Mobilisierung aus nachvollziehbaren Gründen sicherlich noch schwieriger, als sie es ohnehin schon ist. Und sich beim Schutz der eigenen Unversehrtheit auf die Polizei zu verlassen, wäre leichtsinnig und möglicherweise fatal. Spätestens bei der rechten Kundgebung am 27. August 2018 vor dem Landtag – eigentlich aber bereits bei den 21 DügIdA-Demonstrationen 2015 – zeichnete sich ab, welch‘ enormes Gewaltpotenzial aktuell bei der regionalen extremen Rechten am Start ist. Ein massiver Angriff der rechten Hools am 27. August wäre für die schlecht aufgestellten Polizeikräfte nicht abwehrbar gewesen. Ein solcher blieb aber im Gegensatz zum 17. November aus. Gelernt wurde polizeilicherseits in der Zwischenzeit offenbar nichts. Und Ähnliches ist auch zukünftig zu erwarten, der Feind steht nach wie vor links. Eben dieser Situation muss sich der Gegenprotest jetzt stellen.
DSSQ-Untersuchungs-AG 17.11.18,
Stand 25.11.18