ISKU-Informationsstelle Kurdistan: FOLTER, EINE GÄNGIGE PRAXIS

22. November 2016

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TÜRKEI/NORDKURDISTAN – Die Folter in türkischen Gefängnissen nimmt wieder zu. Die CİSST, eine türkische Organisation für zivilgesellschaftliche Akteure im Strafvollzug, berichtete, dass zum ersten Mal in der Geschichte der türkischen Republik die Anzahl der Inhaftierten über 210.000 gestiegen ist. Die Gefängnisse sind überfüllt und die Beschwerden über Folter nehmen zu. Allein aus dem T-Typ-Gefängnis in Riha (türk. Urfa) erreichte die Menschenrechtsvereinigung IHD zahlreiche Hinweise auf Folter.

19 TAGE LANG FOLTER

Cemal Işık sitzt immer noch in Riha in Haft. Er war in Syrien, wurde bei einem Angriff durch den IS schwer verwundet. Er verlor sein rechtes Ohr und sein Augenlicht. Als er am 15. August 2016 zurück in die Türkei kam, wurde er verhaftet. Işık erzählt über seine Erfahrungen in Haft: “Sie wollten, dass ich eine von Beamten angefertigte Aussage als meine eigene Aussage unterschreibe. Nachdem ich mich weigerte, erniedrigten und folterten sie mich. Ich musste mich ausziehen, sie gingen mir mit ihren Schlagstöcken in den Schritt, sie verabreichten mir Stromschläge, sie drohten mich zu töten und noch mehr…. 19 Tage lang wurde ich so gefoltert.
Als ich das nicht tat, haben sie mich in erniedrigender Art gefoltert. Ausziehen, Angriff an die Genitalien, Polizeiknüppel stecken, Stromschläge, Bedrohung mich zu töten, und noch ähnliche….
19 Tage lang wurde ich gefoltert.”

ÄRZTE WAREN ZEUGEN

Işık erzählt, dass die Ärzte miterlebt haben, wie er gefoltert wurde. Er selbst bekam nicht alles mit. “Ich habe mehrmals mein Bewusstsein verloren. Jedes mal nach dem ich aus dem Krankenhaus wieder zurück kam, ging die Folter weiter. All das passierte in der Anti-Terror-Abteilung im Bezirk Ceylanpınar in Riha, wo ich in Haft war.”, sagte er.

FOLTER DURCH SPEZIALISIERTE TEAMS

Der ebenfalls im Rihaer T-Typ-Gefängnis inhaftierte Faruk Bayğut wurde am 13. Februar 2016 in Akçakale festgenommen und dann in die Anti-Terror-Abteilung nach Riha verbracht. “Sie haben unser Augen verbunden und unsere Hände auf dem Rücken gefesselt. Es waren 5-6 Männer, keine Polizisten, sondern ein spezielles Folterteam.“, so Bayğut. „Sie zogen uns nackt aus, begannen uns zu beleidigen und zu foltern. Das ging den ganzen Tag so. Dann sprach uns jemand an, er behauptete Anwalt zu sein, er bat uns auszusagen und angefertigte Aussage zu unterschreiben. Später erfuhren wir, dass er Polizist war“.

SIE ZOGEN ZÄHNE MIT EINER ZANGE

Am 27. Juli wurde Yusuf Çetin Akçakale zur Gendarmerie-Station verbracht. In einem Brief schrieb Çetin: “Auf dem Weg zur Station fingen sie bereits mit der Folter an und in der Station ging es weiter. Sie haben meine Augen verbunden, mir meine Kleidung ausgezogen und Handschellen angelegt. Ich war schwerer Folter ausgesetzt. Einen Zahn haben sie mir mit Gewalt, mit einer Zange ausgerissen. Mein Mund, mein Gesicht war voll mit Blut bedeckt. Unter schwersten Beleidigungen und Drohungen und mit einer Pistole an meiner Schläfe zwangen sie mich eine Aussage zu unterschreiben. Ich bin noch jung und nicht sonderlich groß, diese Tatsache hat mir in dieser Umgebung zusätzlich psychisch schwer belastet. Die schwere Folter hat mich psychisch zerstört, ich bekam einen Schock“.

RASSISTISCHE BELEIDIGUNGEN

Am 10. Februar wurde Ali Altin festgenommen und verhaftet. Er erzählt über seine Erfahrung in Urfa TEM, der Gefängniszweigstelle in Riha: “Ich war nackt als sie mich folterten. Sie haben mich auf jegliche Weise beleidigt und erniedrigt. Meine Augen waren während dessen verbunden. Sie brüllten immer wieder ‘Bist du Armenier oder Muslim’“.

SELBST ÄRZTE WERDEN BEDROHT

Der Gefangene Feyzullah Kipcak wurde am 27. April in Pirsûs (türk. Suruç) festgenommen. Durch Folter, wurde er gezwungen über die Frau, mit der er zusammen festgenommen wurde, auszusagen.
Wegen den Verletzungen durch die Folter, wurde er ins staatliches Krankenhaus in Pirsûs gebracht.
Kipcak: “Der diensthabende Arzt im Krankenhaus wurde von den Polizisten bedroht. Zuerst sagte er, als er mich sah, ‘Ich schreibe was ich sehe’, danach, nachdem die Polizisten ihn in die Ecke gezogen und bedroht hatten und er zurückkam, war sein Verhalten anders. Mein Kopf und meine Rippen waren gebrochen, der Arzt sagte: ‘Für deinen Kopf kann ich nichts tun’. Wegen den gebrochenen Rippen wurde ich zum Röntgen geschickt, aber über die Ergebnisse der Aufnahmen habe ich nichts erfahren”.

Ein Komitee für Menschenrechtsverletzungen und Folter des Menschenrechtsvereins IHD führte Gespräche in der Riha und informierte über den Bericht. In einer Pressemitteilung vom 14. Juli 2016 hatte die IHD Kovorsitzende Eren Keskin über die Folterungen berichtet und erklärt, dass der Bericht über die Folterungen an die Vereinten Nation übermittelt wird.

Gülhan Kaya, Anwältin zweier Jugendlicher, die im Juli für 7 Tage in Riha in Haft waren, hatte erklärt, dass ihre Klienten nackt und mit verbundenen Augen gefoltert wurden. Als sie sich zu einem Hungerstreik entschlossen, mussten sie Kölnisch Wasser (Parfüm) trinken. Die verantwortlichen Ärzte verloren kein Wort über die Folterungen, obwohl ein dokumentierter Bericht von Mehmet Ali Malkoç (Spezialist für Rechtsmedizin) existiert.

Yeni Özgür Politika, 19. November 2016, ISKU

https://isku.blackblogs.org/3605/folter-eine-gaengige-praxis/