Nach 900 Tagen – Die Befreiung von Leningrad am 27. Januar 1944
27. Januar 2024
Die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten erinnert an diesem 27. Januar nicht nur an den Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz im Jahre 1945, sondern auch an den 80. Jahrestag der Befreiung der Stadt Leningrad mit der Durchbrechung der Blockade durch die sowjetische Armee am 27. Januar 1944. Die internationale antifaschistische Bewegung gedenkt der mehr als eine Millionen Opfer der Blockade und würdigt die Helden, die für die Befreiung vom Faschismus ihr Leben gegeben haben.
In den Welteroberungsplänen des deutschen Faschismus nahm der Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 einen besonderen Platz ein. Es ging um die Rohstoffreserven der UdSSR und die industriellen Kapazitäten im Westen der Sowjetunion. Im „Fall Barbarossa“ waren diese Ressource fest eingeplant, um einen Krieg gegen die UdSSR überhaupt führen zu können. Das nach Osten vorrückende Millionenheer sollte sich aus den Vorräten der örtlichen Bevölkerung versorgen und damit den dort lebenden Menschen, die als „slawische Untermenschen“ betrachtet wurden, die Lebensgrundlage nehmen. Zudem war es ein ideologisch motivierter Vernichtungskrieg gegen den „jüdisch-bolschewistischen“ Feind.
Als die faschistischen Heere Ende August 1941 Leningrad erreichten, gelang es ihnen nicht, die Stadt zu erobern. Stattdessen wurde am 8. September 1941 ein Blockadering geschlossen. Damit war die Großstadt, in der damals rund drei Millionen Menschen lebten, im Süden durch deutsche Truppen und ihre Verbündeten, im Norden von finnischen Einheiten blockiert. Nur über den im Osten gelegenen Ladogasee konnten zeitweise und unter großen Gefahren Lebensmittel und andere Versorgungsgüter in die Stadt gebracht werden. Die Blockade von Leningrad und das Aushungern der Bewohner war Teil der verbrecherischen Kriegsführung in Osteuropa, die mit dem Begriff „Vernichtungskrieg“ treffend charakterisiert wird. Tatsächlich starben mehr als eine Million Menschen während der Belagerung an Hunger und Mangelernährung.
Dennoch haben die Menschen in Leningrad knapp drei Jahre der faschistischen Bestie widerstanden und ein sichtbares Zeichen gesetzt, dass die „unbesiegbare“ Wehrmacht an ihre Grenzen stößt. Die Heldentaten der Einwohner und der sowjetischen Armee, die im Winter die Versorgung der Menschen über die zugefrorene Ostsee organisierte und die im Januar 1944 den Blockade-Ring sprengen konnte, sind unvergessen. Zurecht wurde der Stadt und ihren Einwohnern nach dem Krieg der Ehrentitel „Heldenstadt“ zuerkannt. Diesen Titel trägt die Stadt bis heute, auch wenn sie nun St. Petersburg heißt.
Bis heute lehnt die Bundesrepublik Deutschland jegliche Entschädigung an nichtjüdische Bürger der damaligen Sowjetunion bzw. des heutigen Russlands grundsätzlich ab. In einem offenen Brief an die Bundesregierung vom Herbst letzten Jahres beklagen die letzten Überlebenden der Blockade: „Mittlerweile sind wir weniger als Sechzigtausend, alles Menschen verschiedener Nationalitäten, die die Gräuel der belagerten Stadt überlebten.“ Sie verurteilen die Weigerung Berlins, eine für jüdische Überlebende zugesagte Entschädigung „auf alle heute noch lebenden Blockade-Opfer ohne Ansehen ihrer ethnischen Zugehörigkeit auszuweiten“. Schließlich hätten die deutschen Pläne zum Hungermord „keine Ausnahmen aufgrund von Nationalität“ vorgesehen. „Wir appellieren an die deutsche Bundesregierung, … die humanitären Auszahlungen auf ausnahmslos alle Blockade-Überlebenden auszuweiten.“
Die Bundesregierung habe sich einzig bereit erklärt, als „humanitäre Geste“ einen finanziellen Beitrag für ein St. Petersburger Krankenhaus für Kriegsveteranen und zur Einrichtung eines deutsch-russischen Begegnungszentrums zu leisten. Laut Aussagen der russischen Botschaft in Berlin kommen beide Projekte jedoch nur mühsam voran und sind weit von ihrer Realisierung entfernt. Angesichts der Sanktionspolitik im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg werden wohl selbst diese Leistungen voraussichtlich auf den St. Nimmerleinstag verschoben. Die Botschaft betont, dass es ihr keineswegs ums Geld gehe. Denn für ein menschenwürdiges Leben der Veteranen und Blockade-Opfer sorge der russische Staat natürlich selber. Es gehe vielmehr – so wörtlich – um „Gerechtigkeit, Gewissen sowie um die Aufrichtigkeit der deutschen Politiker, die von der Verantwortung für die grausamen Verbrechen des Nazi-Regimes auf dem Gebiet der UdSSR, einschließlich der Leningrader Blockade, sprechen.“
Die FIR verbindet die Erinnerung an die Befreiung Leningrads mit ihrer Unterstützung für die berechtigten Forderungen der Überlebenden.